WilhelMINE – Gefühle auf vier Beinen

WilhelMINE ist mein siebter Welpe und mein neunter Hund.
Und eines bleibt konstant, verlässlich, vorhersehbar: Welpen sind pures Gefühl.
Und doch immer wieder unser Auftrag, gut zu begleiten. Freude, Frust, Übermut, Müdigkeit – sie alle gehören dazu und sind Teil dieser besonderen Lebensphase.

Ich genieße diese Zeit. Das Staunen über ihre Entwicklungsschritte, das Begleiten ihrer ersten Lernerfahrungen, das Erkennen ihrer kleinen Eigenheiten, die sie einzigartig machen. Ich gebe Sicherheit und Halt, wenn sie ihn braucht, und lasse sie los, wenn sie sich ausprobieren will – auch wenn das bedeutet, dass sie mal scheitert.

Ich bin (fast) frei von Erwartungen. Das ist ein Luxus, den ich mir in 30 Jahren Hundehaltung, 23 Jahren Mutterschaft, unzähligen Stunden Fachliteratur und Beobachtung und 20 Jahren Berufserfahrung erarbeitet habe.
Ich genieße meine eigene Gelassenheit. Es ist ein Privileg, ohne Ängste und Sorgen erziehen zu können – und genau das wünschte ich mir für alle, die mit einem Hund ihr Leben teilen.

Meine Rolle ist für mich klar: Ich bin Begleiterin, Vorbild und sicherer Heimathafen.
Ich gebe einen verlässlichen Rahmen, helfe beim Regulieren großer Gefühle und lenke sie in Bahnen, die für Mensch und Hund gut sind. Ich übernehme die Verantwortung – für Entscheidungen, für Sicherheit, für das Miteinander – und lebe im Alltag vor, wie wir mit Gefühlen umgehen können.

WilhelMINE ist ein ganz normaler Welpe:

Sie beißt um sich, wenn es ihr zu viel wird.

Sie ist frustriert, wenn etwas nicht klappt, wie sie es möchte.

Sie überdreht, wenn sie eigentlich schon müde ist.

Kurz: Sie ist pures Gefühl auf vier Beinen.
Und genau das ist für viele die größte Herausforderung – für Welpenmenschen und Hundemenschen gleichermaßen.
Ich bin überzeugt: Heimlich, still und leise ist es genau dieser Umgang mit Gefühlen, der uns mit Hunden verbindet – und dazu gehören eben alle Gefühle, nicht nur die vermeintlich guten.

Doch genau hier liegt die Kunst: nicht nur Freude, Glück und Harmonie willkommen zu heißen, sondern auch Frust, Ärger, Müdigkeit und Unsicherheit zu begleiten. Das bedeutet, nicht auszuweichen, wenn es ungemütlich wird, sondern präsent zu bleiben. Für den Hund da zu sein, ohne sich von seinen Emotionen anstecken zu lassen.

Ein Beispiel: WilhelMINE rennt im Spiel völlig aufgedreht durch den Garten, ihre Bewegungen werden fahriger, die Blicke hektischer. Früher hätte ich vielleicht versucht, sie mit einem Kommando „herunterzufahren“. Heute weiß ich: Sie braucht meinen Rahmen, nicht meinen Druck. Also rufe ich sie ruhig zu mir, halte sie sanft fest, atme tief, bis ihr Puls langsamer wird. Gemeinsam finden wir aus der Übererregung zurück in die Ruhe.

Für mich liegt der Schlüssel zu einer guten Mensch-Hund-Beziehung nicht in Perfektion oder Kontrolle, sondern im Annehmen – mit Verständnis, dem Vorbildsein im Alltag, dem Wahren und Raumgeben für die Bedürfnisse aller, dem Übernehmen von Verantwortung und dem Verlässlichsein als Sicherheitsgarant.

Das ist ein Weg, der Zeit, Übung und Selbstreflexion braucht. Doch er lohnt sich. Denn am Ende geht es nicht nur um Erziehung, sondern um Beziehung – und darum, dass sich beide sicher, gesehen und angenommen fühlen.

Mehr zu diesem Weg findest du in meinem Buch „Welpenkompass“: nadineliebert.de/welpenkompass