20 Jahre Hundecouch – mein WARUM
Rückblick und Haltung
Jubiläen laden dazu ein, zurückzuschauen – und zu fragen: Was hat mich geprägt, was treibt mich an, was trägt bis heute? Für mich sind es Werte, Haltung und die Überzeugung, dass Erziehung mehr bedeutet als das bloße Trainieren von Verhalten.
Es gab damals kaum Hunderatgeber, keine Hundeschulen und schon gar keine fundierten Trainerausbildungen. Mit meinen ersten beiden eigenen Hunden sammelte ich deshalb autodidaktisch Erfahrungen – ich beobachtete, probierte aus, stellte Fragen und suchte meinen eigenen Weg. Erst später gab es die ersten Ausbildungsstätten und ich konnte mich professionell zur Trainerin ausbilden lassen. Mit meinem Rottweiler-Schäferhund fand ich in keinem Verein Anschluss. Rückblickend ein Glück – denn so begann ich, eigene Wege zu gehen, zu beobachten, zu hinterfragen und auszuprobieren. Mein Interesse an Psychologie und Pädagogik begleitete mich schon damals – auch wenn ich mein Studium nicht im Hörsaal, sondern im Alltag mit den Hunden weiterführte.
Seitdem haben mich neun eigene Hunde begleitet – vom Rottweiler über Bullmastiff und Dogge bis hin zum Broholmer. Jeder von ihnen hat mir gezeigt, dass Hunde nicht „formbare Knetmasse“ sind, sondern ihren eigenen „Rucksack“ aus Anlagen, Erfahrungen und Persönlichkeit mitbringen. Parallel durfte ich in über 5000 Mensch-Hund-Teams erleben, wie vielfältig, herausfordernd und bereichernd diese Beziehung sein kann.
Auch meine Rolle als Mutter von drei Kindern hat meinen Blick geprägt. Kinder wie Hunde zeigen uns: Erziehung ist keine Einbahnstraße, sondern Beziehung. Sie fordert Geduld, Vorbildsein, Werte leben und Fehlerfreundlichkeit – und macht sichtbar, wie sehr beide Seiten voneinander lernen können. Diese Parallelen fließen bis heute in meine Arbeit ein.
Wandel in der Hundeerziehung
Wer Hunde erzieht, bewegt sich immer auch im Spannungsfeld von Tradition und Fortschritt. Die Hundewelt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert – und sie spiegelt die Entwicklungen unserer Gesellschaft.
Heute spannt sich das Spektrum von „alter Schule“ bis „positivem Training“, von „das macht man so“ bis „wissenschaftlich fundiert“. Erkenntnisse aus Verhaltensbiologie, Psychologie, Pädagogik und Neurowissenschaften haben das Verständnis für Hunde tief verändert.
Vor Jahrzehnten stand auf dem Hundeplatz vor allem das Funktionieren im Vordergrund. Bedürfnisse, Emotionen und Persönlichkeit des Hundes spielten kaum eine Rolle. Diese Ansätze konnten kurzfristig wirken – doch der Preis war hoch: eine Beziehung, die oft auf Unterordnung, Angst oder Unsicherheit beruhte.
Heute wissen wir: Eine vertrauensvolle Beziehung ist kein Nebenprodukt, sondern das Fundament.
Werte als Fundament
Um ein faires, zugewandtes Miteinander zu leben, braucht es Orientierung. Werte helfen, den eigenen Weg zu finden – und auch auszuhalten, wenn andere etwas anderes behaupten.
Psychologische Stolperfallen
Warum landen Menschen trotz bester Absichten in Methoden, die ihnen eigentlich widerstreben? Das liegt selten am „fehlenden guten Willen“, sondern an psychologischen Mechanismen, die uns alle betreffen:
- ➤ Gruppendruck: „Alle machen es so – also muss es stimmen.“
- ➤ Autoritätsgläubigkeit: „Der Trainer, die Tierärztin – die werden’s wissen.“
- ➤ Tradition: „Das hat man schon immer so gemacht.“
- ➤ Confirmation Bias: Wir suchen nur Bestätigung für unsere Meinung.
- ➤ Dunning-Kruger-Effekt: Wer wenig weiß, ist sich oft am sichersten.
Diese Mechanismen erklären, warum wir Menschen manchmal schlechte Methoden anwenden. Aber sie nehmen uns nicht die Verantwortung. Am Ende liegt sie bei uns: beim Menschen, der den Hund führt.
Bindung als Schlüssel
Ein Kern meiner Arbeit ist die Bindungsforschung – und was sie für Mensch und Hund bedeutet. Eine sichere Bindung ist weit mehr als „Gefühl“: Sie ist die Grundlage für Stressregulation, für Resilienz und für das Vertrauen, auch schwierige Situationen gemeinsam zu meistern.
Hunde mit sicherer Bindung können sich schneller beruhigen, besser lernen und gelassener auf Herausforderungen reagieren. Und auch wir Menschen profitieren: Wer in seiner Rolle klar und verlässlich ist, fühlt sich selbst sicherer.
Darum sage ich: Bindung ist kein Extra, sondern die Voraussetzung für gesunde Entwicklung und ein gutes Miteinander.
Mensch-Hund-Training neu gedacht
Erziehung heute bedeutet für mich mehr als Sitz, Platz und Co. Sie bedeutet, Mensch und Hund als Team zu sehen – mit Bedürfnissen, Gefühlen und Entwicklungspotenzial auf beiden Seiten.
Für mich heißt das: Miteinander statt Gegeneinander, Bindung und Bedürfnisse ernst nehmen, Vorausschau und Management nutzen, positive Verstärkung anwenden und Kompetenzen bei Mensch und Hund entwickeln. So entsteht ein echter Erziehungsweg – einer, der beiden guttut.
Elemente für ein gutes Leben mit Hund
- 💎 Bindung: Sei der Heimathafen deines Hundes.
- 💎 Verständnis: Frag beim Unerwünschten nach dem „Warum“.
- 💎 Bedürfnisse: Nimm seine und deine ernst.
- 💎 Selbstreflexion: Fehlerfreundlich bleiben.
- 💎 Resilienz: Stressregulation fördern – auf beiden Seiten.
- 💎 Dankbarkeit: Die gemeinsame Zeit bewusst genießen.
- 💎 Vorbild: Verlässlich und klar handeln.
Mein WARUM
Mein WARUM ist seit 20 Jahren gleichgeblieben – auch wenn sich mein Wissen, meine Methoden und die Hundewelt weiterentwickelt haben.
- 💎 Menschen helfen, ihren Hund wirklich zu verstehen – Verhalten in Beziehung zu formen und zu entwickeln, statt nur zu korrigieren.
- 💎 Hunden ermöglichen, sicher, verstanden und geborgen aufzuwachsen.
- 💎 Familien begleiten, an Herausforderungen zu wachsen und die gemeinsame Zeit als Bereicherung zu erleben.
Fazit
Was bleibt nach 20 Jahren Hundecouch?
Die klare Überzeugung: Hundeerziehung ist kein starres Schema, keine Methode und kein reines Training. Sie ist mehr als das Erlernen von Kommandos oder das Abstellen von Verhalten. Für mich bedeutet sie: Beziehung gestalten, Vertrauen aufbauen, Werte leben und Entwicklung ermöglichen – auf beiden Seiten. So entsteht ein gemeinsamer Weg, der beiden guttut: Mensch und Hund.
👉 Bindung verstehen. Beziehung leben. Gemeinsam wachsen.